Wie ich versuche, die Gebote des einen Gottes
als meine Lebenswirklichkeit zu verstehen
Während Mose, der Führer des von Gott auserwählten Volkes Israel, von Gott zehn Gebote erhielt, tanzten die Israeliten um das Goldene Kalb. Auch in späteren Büchern des Alten Testaments Israels ist zu lesen, dass sich die Israeliten anderen Göttern zuwandten und dafür bestraft wurden.
Da Gott für Juden wie für Christen der in allem vollkommene Schöpfer der Welt ist, kann es neben ihm keine anderen Götter geben. Wie könnte er sonst vollkommen sein! Denn Vollkommenheit bedeutet Einzigartigkeit.
Doch wir in unserer Unvollkommenheit, gebunden in Zeit und Raum, fallen immer wieder auf die Versuchung herein, Gott dennoch nicht die erste und alleinige und mit Abstand größte Priorität zu geben, sondern „andere Götter“ anzubeten.
Selbst wenn es jeder Vernunft Hohn spricht, folgen wir dubiosen Versuchen, die Welt zu erklären und daraus Heilslehren abzuleiten. Oder wir lassen uns als Opportunisten durchs Leben treiben.
An zwei Stellen des Alten Testaments werden zehn Gebote aufgeführt.
Das erste Gebot lautet übereinstimmend:
Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. > Buch Exodus;
Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. > Buch Deuteronomium
Gott ist in allem vollkommen!
Gott, an den ich glaube, ist in allem vollkommen und für alles die letzte Ursache. Er ist allmächtig und allwissend. In ihm ist all das vollkommen, wonach ich mich sehne: Gerechtigkeit und Liebe, Freiheit und Frieden, bedürfnislose ewige Glückseligkeit.
Gott ist der Schöpfer des Himmels und der Erde. Ich kann ihn nur andeutungsweise erkennen – ich sein unvollkommenes Geschöpf; ich, der wie meine Vorfahren und meine Mitmenschen immer wieder der Versuchung verfallen, Gott aus den Augen zu verlieren.
Gott lässt sich für den, der glaubt, in der Sinnhaftigkeit, Ordnung und Schönheit der Natur erfahren. Aus den unverstandenen Vorgängen und Zusammenhängen der Schöpfung Gottheiten abzuleiten, ist die Neigung von uns uneinsichtigen Menschen.
Gott ist als Jesus von Nazareth Mensch geworden. Über sein Leben und Wirken berichtet das Neue Testament, haben mich meine Eltern und Priester der Kirche unterrichtet. Seinen Heiligen Geist erfahre ich in den wundersamen Fügungen meines Lebens.
Gott hat mich nicht mir selber überlassen, sondern sich mir mitgeteilt. Er gibt mir damit die Chance, meine Freiheit dafür zu nutzen, auf ihn hin zu leben. Er gibt mir die Hoffnung, nach meiner irdischen Begrenzung ihm nahe zu sein.
Gott darf ich mir als Vater vorstellen, als meinen Vater im Himmel, der mich liebt. Durch das Erleben seiner Schöpfung und das Gute in mir und meinen Mitmenschen kann ich seine Liebe erfahren und sie trotz all meiner Unvollkommenheit erwidern.
Gott hat dem Volk Israel des Alten Testaments die 10 Gebote gegeben. Nicht als Herrschaftsinstrument, sondern als Orientierung für ein Leben, das der Schöpfungsordnung entspricht. Zum Nutzen der Menschen, damit sie nicht in ihrer Unvollkommenheit versinken.
Die „anderen Götter“ sind in mir!
Die „Alleinstellung“ Gottes als der in allem Vollkommene und die alleinige Ursache von allem, was ist, gibt mir den Fixpunkt meiner Existenz. Doch: Was als längst überholtes Lebensverständnis vergangener Jahrtausende – die Verehrung zahlloser Götter – erscheint, ist auch heute Wirklichkeit.
Was bestimmt den Alltag von uns „modernen“ Menschen? Wer wird von uns verehrt? Wem eifern wir nach? Was wird als alleinige „Wahrheit“ gesehen, von der unser Schicksal bestimmt wird? Wofür setzen wir uns mit absoluter Gewissheit ein? Was müssen wir unbedingt haben?
Wie verführbar bin ich? Wo haben die Paradiesschlangen von heute bei mir Ansatzpunkte? Wir sind umgeben von Demagogen, Irrlehrern, Rattenfängern, Verkaufsgenies, Seelenflüsterern, Hasspredigern und vielen anderen selbsternannten Göttern. Glaube ich, was mir als wissenschaftlich bewiesen und mit Bildern belegt nahe gebracht wird?
Bin ich wachsam, habe ich kritische Distanz und bin ich stark genug, um gegebenenfalls auch Gegenwehr zu leisten, um den vielen kleinen selbsternannten Gottheiten nicht auf den Leim zu gehen, nicht in ihren Fängen zu landen, nicht zum Fanatiker oder Sektenmitglied zu werden?
Es gibt unendlich viele kleine Götter, die die ganze Welt verändern wollen; nur bei sich selber wollen sie nicht anfangen. Darunter „Gottesmänner“, die in ihren Gebeten Gott sagen, was er bitte tun soll, damit ihre Vorstellungen in Erfüllung gehen. Sie ziehen Gott auf ihr Verständnisniveau herunter.
Wir sind in der ständigen Versuchung, unsere Gottähnlichkeit durch die Anmaßung von Gottsein zu überhöhen. In unserem Herrschaftsbereich spielen wir uns als Gott auf. Manche haben ihre Gefolgschaft zu Organisationen geformt, die in großem Stil „Gottesherrschaft“ praktizieren.
Aber es kann nur einen konkurrenzlos Allmächtigen geben, der in allem vollkommen ist! Er hat sich den Menschen offenbart, hat ihnen die 10 Gebote über den Führer des Volkes Israel, Mose, gegeben und durch seinen Sohn Jesus Christus den Weg zu ewigem Heil eröffnet.
Der Versuchung zur Selbstherrlichkeit widerstehen!
Der Mensch von heute ist bestrebt, alles in seinen Verständnishorizont zu ziehen. Es ist ihm zuwider, als unwissend zu gelten. Wissenslücken werden mit Vorurteilen ausgefüllt. Man hat eine Meinung – auch wenn man keine Ahnung hat. Sonst kann man ja nicht mitreden. Wir glauben unseren Wissenschaftlern. Wir sind eine selbstherrliche Gesellschaft.
Irrtümer und Fehler einzugestehen, fällt uns schwer. Erst wenn sie nicht mehr geleugnet werden können, machen wir uns kleinlaut von dannen. Wir müssen uns eingestehen: Trotz aller Forschung und unseres ständigen Zuwachses an Erkenntnissen erlangen wir nur Teilwissen. Bei allem erstrebenswerten Wissenszuwachs: Wir bleiben weithin unwissend.
Der Versuchung, mich zu überschätzen, kann ich nur entgehen, wenn ich mir immer wieder die Diskrepanz zwischen dem Allwissenden und mir, der ich nur eingeschränkt Wissen erlangen kann, bewusst mache. Und ich muss zugeben: All das, was Menschen erforscht haben, wird nicht nur zu unserem Wohl, sondern auch zu unserem Schaden genutzt.
Auf dem Pilgerweg zu Gott
Der Alleinstellung Gottes entspricht die Individualität jedes Menschen. Ich bin einzig! Unter allen Menschen, die gelebt haben, leben und noch leben werden. Nur Gott kennt mich durch und durch – mich, sein Geschöpf. Aus der Individualität meiner Unvollkommenheit mache ich mich auf zu ihm.
Dazu hat Gott mir Freiheit gegeben. Sie gilt es zu nutzen: Mich nicht selbst versklaven, noch mich versklaven lassen. Auf dem Weg bleiben, nicht abirren. Immer wieder mich auf Gott hin orientieren und nicht „anderen“ Göttern folgen. Weder auf den inneren Schweinhund in mir hören, noch von den Wegelagerern einfangen lassen.
Auf meinem Weg zu Gott brauche ich Weggefährten. Menschen, die wie ich in all ihrer Unvollkommenheit das Reich Gottes als ihr Lebensziel haben, die sich gegenseitig beistehen und stärken. Mir wurde der Glaube an Gott durch Mitglieder der Katholischen Kirche vermittelt. Sie tragen die Frohe Botschaft Christi durch die Zeit – trotz ihrer Unvollkommenheit.
Christus, der in unsere von Raum und Zeit gekennzeichnete Welt als Gott und Mensch eingetreten ist, hat uns eine Vorstellungshilfe von sich, von Gott gegeben: Vater und Sohn. Wir sind Kinder Gottes. Wir haben einen Vater. Es gibt nur diesen einen! Wir sind auf dem Weg zu ihm!