Drittes Gesätz
Vater unser (4)
Vater unser im Himmel
Wir dürfen uns an Gott als unseren idealen Vater wenden, der für uns da ist, der unser Bestes will, der Erbarmen mit uns hat, der uns Freiheit lässt – und zulässt, dass wir sie missbrauchen, indem wir uns selbstherrlich seine Schöpfung aneignen.
Geheiligt werde dein Name
Wir sind von Gott ins Leben gerufen, hineingestellt in das Weltgeschehen, auf Gott hin als sein Geschöpf orientiert. Mit diesem Selbstverständnis stellen wir uns in die Wahrheit, die Realität, die Ordnung Gottes.
Wir heiligen seinen Namen, wenn wir unsere sterbliche Existenzform als ein Werden und Vergehen verstehen, das auf Ewigkeit gerichtet ist. Mit unserem irdischen Leben soll der Name „Gott“ geheiligt werden – so weit uns das gelingt.
dein Reich komme
Wenn die Menschen Jesus auf den Schild heben, ihn zu ihrem Herrscher machen wollten, weil er mit Wundertaten seine göttliche Macht zeigte, hat er sich ihnen entzogen. Aber er hat uns die Hoffnung auf das Reich Gottes gegeben, das Reich in dem alle unsere Sehnsüchte erfüllt werden.
In dieser raum-zeit-gebundenen und auf Endlichkeit angelegten und von uns Menschen beherrschten Welt werden sie nicht erfüllt. Wir Menschen zeigen gerade in der heutigen Zeit unser gigantisches Zerstörungspotential. Unsere Sehnsüchte können nur im Aufgehen dieser Welt in der Welt Gottes erfüllt werden!
Die Jünger hofften darauf, es werde noch zu ihren Lebzeiten sich erfüllen. Doch in den 2000 Jahren, die seitdem vergangen sind, ist das Reich Gottes nicht gekommen. Die Kirche muss als Nachfolge-Institution des Apostel-Gremiums die Botschaft vom Reich Gottes im Geschichtsablauf erhalten.
dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden
Mit mir habe ich die Erfahrung gemacht, dass mich eigenes Versagen besonders ärgert. Das wirst du, Vater, mir nicht ersparen: Ich werde mich selbst beurteilen. Ich vertraue darauf, dass du Nachsicht mit mir hast. Denn du kennst die Ursachen meines Versagens. Du wirst dich erbarmen und mich mit Liebe umfangen – und gerade deshalb werden mir meine Verfehlungen unendlich leid tun. Ich hoffe darauf: Du wirst mich aufrichten, mir vergeben.
Als ich von meiner Mutter keine Vorhaltungen und Ermahnungen annehmen wollte, sondern einfach den Raum verließ, bat sie mich: „Hör es Dir wenigstens an, du kannst dann selbst entscheiden, was du tust.“ So halte ich es heute mit der „Mutter Kirche“. Ihre Lehrer, Autoritäten höre und lese ich, versuche, sie zu verstehen – aber ich weiß: verantworten vor dir, Herr, muss ich mich persönlich. Ich kann mich auf niemanden herausreden.
unser tägliches Brot gib uns heute
Hunger und Durst sind weit verbreitet in der Welt. Ich bin mir des Elends und der Not in vielen Ländern bewusst. Ich habe sie in Südamerika und Asien gesehen. Heute leben wir in einer Überflussgesellschaft. Völlerei ist weit verbreitet. „Lecker essen gehen“ gehört zum Lebensstandard.
vergib uns unsere Schuld
Die Orientierung, die Gott uns Menschen auf seine Vollkommenheit und Wahrheit hin gegeben hat, verdanken wir seinem Eintreten als „Sohn Gottes“ in die Geschichte. Das Neue Testament ist unser Orientierungsbuch.
Doch es ist schwer zu unterscheiden: Zu welchen Menschen welcher Zeit wird jeweils gesprochen? Aufgrund von welchen zeitlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen?
- Was hat Jesus in die jeweilige Situation seines Lebensumfelds hinein gesprochen und getan? Was ist bei den überlieferten Briefen, insbesondere denen des Apostels Paulus, auf den konkreten Anlass hin geschrieben worden?
- Was ist in welcher Weise bei der mündlichen Überlieferung in den ersten Jahrzehnten nach Jesus durch die Jünger und Apostel von den Worten und Taten Jesu verkündet worden? Beeinflusst durch die persönliche Erinnerung der „Zeugen“, durch ihre Fähigkeit zu formulieren?
- Was ist aufgrund der zeitgebundenen und von Ort zu Ort verschiedenen Gesellschaftsform unterschiedlich gesprochen, geschrieben und getan worden? Was wurde weggelassen?
- Was ist eine über die jeweilige Situation und gesellschaftliche Gegebenheit hinaus gehende gültige Aussage?
- Alles ist unter der Mitwirkung des Heiligen Geistes geschehen!
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern
Zur täglichen Nagelprobe des Vergebens sind in unserer Zeit Partnerschaftsbeziehungen geworden. „Es geht nicht mehr“ oder „Wir haben uns auseinander gelebt“ sind die gängigen Formulierungen, wenn entweder nicht vergeben wird oder die gegenseitigen Verbesserungschancen aus dem Vergeben nicht genutzt wurden. Denn Vergeben, so wie du es uns gelehrt hast, Herr, hat einen zweiten Satz: Tu es nicht wieder!
Als Paar kann man nach dem Vergeben nur zusammenbleiben, wenn man gemeinsam danach sucht, was denn dazu geführt hat, dass Vergeben notwendig wurde. Dann stellt sich oft heraus, dass der Vergebende mitschuldig war, mitunter die Hauptschuld trägt.
Schuld, die man sich gegenseitig zuordnet, muss aufgearbeitet werden. Sonst kommt es nach einer Reihe von Vergebungen schließlich doch zur Trennung. Nach einer Vergebung alles so weiterlaufen zu lassen wie bisher, ist fahrlässig, verkennt die Verpflichtung zur Besserung, die in jeder Vergebung steckt.
und führe uns nicht in Versuchung
Es gibt Tabus, die man für sich festlegen muss. Drogen zu nehmen in dem Übermut „das kann ich jederzeit wieder lassen“, ist lebensgefährlich. „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um“, heißt es. Daher dient es dem Selbsterhalt, Grundsätze und Grenzziehungen für sich zu entwickeln und festzulegen, die man rigoros und ohne Nachdenken einhält, wenn man in eine entsprechende Situation kommt. Dabei hilft die Beobachtung, welche Erfahrungen andere gemacht haben.
sondern erlöse uns von dem Bösen
Ausgelebter Egoismus, der als Lebensziel paradiesischen Wohlstand hat, führt zu Unfrieden und Freiheitsberaubung. Denn jeder kämpft gegen jeden. Jeder versucht, die anderen zu seinem Vorteil zu manipulieren. Deine Erlösung, Herr, finden wir, wenn wir uns aus dem Hamsterlauf des Egoismus befreien und auf deine Wahrheit hin leben.
Amen
Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade
Deine Verehrer unter den Päpsten haben dich verherrlicht und verhimmlicht und einen Lebenslauf dir zugeschrieben, der in deiner Himmelfahrt gipfelt. Du wirst gepriesen in endlosen Litaneien.
der Herr ist mit dir
So wenden wir uns an dich als unsere Fürsprecherin, die wie in Kana bei der Hochzeitsfeier dem Sohn sagt, was gebraucht wird.
du bist gebenedeit unter den Frauen
Gott, der Vollkommene, ist aus dir heraus in die Weltgeschichte eingetreten. Damit war deine Position als „Himmelskönigin“ geschaffen.
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes: Jesus
Gott hat dich in deiner Rolle als Frau im Israel von damals für seine Menschwerdung auserkoren.
Einschub: der uns den Heiligen Geist gesandt hat
Gott weiß, was wir brauchen – fordert uns aber dennoch auf, ihn im Gebet um seinen Beistand und seine Gaben zu bitten. Nach der Rückkehr in sein Reich hat er uns nicht wie Waisenkinder zurückgelassen. Sein Geist ist bei uns, aber nicht als Vormund und auch nicht verfügbar, sondern als die Macht, die unser ewiges Heil bewirken will.
An dieser Stelle des ersten und dann der weiteren neun „Gegrüßet seist du Maria“ des dritten Gesätzes rufe ich mir die Machthaber dieser Welt ins Bewusstsein und bitte darum, dass sie ihre irdische Herrschaft auf dem Hintergrund von Gottes ewigem Reich sehen, dass sie erkennen, ihre Macht Gott zu verdanken und für ihr Tun und Lassen sich vor ihm werden verantworten müssen.
heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für mich Sünder
Wir leben vielfach im Widerspruch zu Gottes Wahrheit und Willen, weil wir uns nicht um das Erkennen von Gottes Wahrheit bemühen.
jetzt und in meinem weiteren Leben
Welche meiner inneren Einstellungen sind falsch und muss ich deshalb ändern? Wobei brauche ich deine Begleitung, dein „bei mir sein“?
Sei du meine Fürsprecherin, die für mich um Vergebung bittet für all den Mist, den ich gemacht habe, für all das, was ich nicht gemacht habe, aber hätte machen können und sollen.
Amen
Spontane Gedanken zu den nun folgenden neun „Gegrüßet seist du Maria“ des dritten Gesätzes mache ich mir nach dem Einschub (vor der Hinwendung „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder“).
Abschuss des dritten Gesätzes:
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Wie es war am Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit!
Dem dreifaltigen Gott geben wir die Ehre: dem Sohn, der durch seinen Eintritt in die Geschichte der Menschheit uns den Weg zu unserem Schöpfer eröffnet hat und der uns durch seinen Geist auf unserem Weg in Raum und Zeit begleitet.