Kapitel 13
Was Sie auf Erfolgskurs bringt: Systematik
Nur systematisches Vorgehen kann von den Unzulänglichkeiten des Lebens wegführen. Das ist wie Schachspielen: Nicht der spontane Zug, sondern der gut überlegte Zug bringt den Erfolg. Voraussetzung ist das Erkennen und Durchschauen der uns umgebenden Systeme, um entsprechende eigene Systeme zu entwickeln. Das gilt insbesondere für den Beruf. Das gibt Selbstsicherheit auch in turbulenten Zeiten.
Auch wenn manche es für sich selbst nicht gelten lassen: Menschen sind unvollkommen
So malen können wie Picasso, so Fußball spielen können wie Pele, so singen können wie die Callas, so schön sein wie die Monroe, so weise sein wie der Dalai Lama – wir alle, die wir andere um ihre besonderen Eigenschaften und Fähigkeiten beneiden, gestehen damit gleichzeitig ein, dass wir unvollkommen sind. Wie gerne würden wir Genialität besitzen!
Statt dessen müssen wir zugeben, dass unser Wissen lückenhaft ist, wir in unseren Fähigkeiten unterentwickelt sind und uns viele Eigenschaften, die wir gerne hätten, fehlen. Unsere Realität sieht so aus: Wir über- oder unterschätzen uns, wir gehen von unzutreffenden Vorstellungen aus, wir setzen falsche Prioritäten, wir wählen den falschen Zeitpunkt, wir laufen in die verkehrte Richtung – aber einiges gelingt uns auch.
Systematik hilft, aus den Löchern der Unzulänglichkeit herauszukommen. Schon als Kinder machen wir die Erfahrung, dass wir systematisch vorgehen müssen, wenn wir etwas erreichen wollen. Legosteine nur einfach nach Lust und Laune zusammenstecken, bringt nichts.
Zuerst muss klar sein, was das Zusammenstecken der Steine ergeben soll. Es muss eine Zielvorstellung herrschen, wenn das Tun Sinn machen soll. Erst dann ist es möglich, die richtigen Steine in der richtigen Reihenfolge zusammenzufügen.
Seine Umwelt erkennen und durchschauen
Wer sich in der dinglichen Welt zurecht finden will, muss zwei Fragen stellen:
- Was sind die Bestandteile?
- Wie funktioniert es?
Die Neugier, unsere Umwelt zu entdecken, ist uns angeboren. Als Babys nehmen wir alles in den Mund, wollen wir alles in die Hand bekommen, probieren wir aus. Wie schmeckt das? Wie fühlt sich das an? Was kann man damit machen? Später wird es interessant, etwas zu zerlegen. Vielleicht hilft der Vater dabei, es wieder zusammenzubauen. Ikea und andere Anbieter von Bausätzen knüpfen an unsere in Kindheit und Jugend entwickelten Fähigkeiten an, systematisch vorzugehen.
Machen Sie mit sich folgenden Test: Nach dem Kauf eines Produkts, das zu seiner Funktionsfähigkeit erst noch zusammengebaut werden muss, legen Sie die Montageanleitung zur Seite. Sehen Sie sich das Bild des fertig montierten Produkts an und entwickeln Sie ein Konzept für die Montage. Erst danach nehmen Sie die Montageanleitung wieder zur Hand. Vergleichen Sie Ihr Konzept mit dem des Lieferanten!
Wie funktioniert was? Diese Frage sollten Sie sich zur Gewohnheit machen. Dann lernen Sie Ihre Umgebung nicht nur kennen, sondern Sie lernen, sie zu durchschauen. Trainieren kann man das beispielsweise in Wartesituationen. Wie hat der Arzt, in dessen Wartezimmer Sie sitzen, seine Praxis organisiert? Wie ist die Behörde strukturiert, auf deren Flur Sie warten müssen? In welche Komplexe ist ein Flughafen gegliedert? Nach welchem System werden die Waren in einem Supermarkt angeboten?
Systematisches Handeln ist das Gegenteil von “einfach drauf los”. Tiere handeln von ihrem Instinkt geleitet. Wir müssen unseren Kopf gebrauchen. Sonst landen wir im Chaos und in der Katastrophe.
Selbständig Systematik entwickeln
Als Kinder lernen wir durch Nachahmung. Wenn wir als Erwachsene diese Methode verlernt haben oder niemand da ist, der Nachahmenswertes vormacht, bleibt uns nichts anderes übrig, als mit System eigenes Lernen zu entwickeln. Unsere Muttersprache lernen wir durch Hinhören und Nachsprechen. Als Erwachsene können wir uns weitere Sprachen durch systematisches Lernen aneignen. Dabei greifen wir auf Lernverfahren zurück, die von Pädagogen und Psychologen entwickelt wurden.
Es genügt indes nicht, nur passiv der Systematik zu folgen, die von Lehrern vorgegeben wird. Man muss als Lernender fähig sein, selbständig Aufgaben zu lösen. Wie nutze ich eine Bibliothek? Wie erarbeite ich mir den Inhalt eines Buches? Wie organisiere ich meinen Tagesablauf? Wenn in der industriellen Fertigung Arbeitsgruppen gebildet werden, denen der Arbeitsablauf nicht mehr vorgegeben wird, muss die Gruppe fähig sein, ihre Arbeit selbständig zu organisieren.
Was leider in viel zu geringem Maße Kindern und Jugendlichen vermittelt wird, ist systematisches Vorgehen in der eigenen, der persönlichen Entwicklung. Das muss sich daher jeder mehr oder weniger selbst aneignen. Gute Voraussetzungen zu solcher Selbstentwicklung hat, wer schon in der Kinderstube gelernt hat, Ordnung zu schaffen und zu halten sowie sich an der Hausarbeit zu beteiligen. Nichts ist besser geeignet, Nutzen bringende Systeme zu entwickeln und ständig zu verbessern als Hausarbeit. Und das nicht nur für sich allein, sondern in der Gruppe, der Familie.
Unordnung als Protest
Die meisten von uns überlassen Tätigkeiten wie Aufräumen und Saubermachen vorzugsweise anderen. Manche Mutter hat zu einem solchen Fehlverhalten erzogen. Entweder durch ihr Vorbild als Schlampe oder weil sie uns diese Arbeit wie ein Dienstmädchen abgenommen hat. Hotel Mama.
Folge: Seit Kindertagen drücken wir uns vor jeglicher Hausarbeit, verachten wir es zu putzen, zu spülen, zu bügeln, zu flicken und so weiter. Wir halten das für minderwertige Arbeit, für die man früher Sklaven hatte, heute die Hausangestellte oder Schwarzarbeiterin hat.
Der Hang zur Unordnung kann ein Protest sein. Jugendliche in der Pubertät wollen damit ihre Ablehnung der überkommenen Systeme demonstrieren, ihren eigenen Willen zeigen. Sie entwickeln eigene Systeme, Subkulturen. Wenn das im Erwachsenenalter zu neuen, eigenen Systemen führt, ist das in Ordnung. Aber es führt zu einer Selbstbehinderung, wenn der Erwachsene im pubertären Protest verharrt und sich damit gegen Chefs oder dominante Partner wehrt.
Pubertäres Verhalten zeigen auch Erwachsene, die sich hinter oder in ihrer Unordnung verstecken wollen. Sie behaupten, sie wüssten, wo sie was haben. Bei häufig gebrauchten Sachen und solange sie ihre Bereiche abgrenzen können, mag das stimmen. Unordnung als Versteckspiel verrät gestörtes Sozialverhalten.
Wenn uns die Eltern Ordnung nicht vorgelebt haben, wenn sie uns nicht die Erfahrung vermittelt haben, dass Ordnung etwas Nützliches ist, wenn sie uns nicht darauf aufmerksam gemacht haben, dass die Welt um uns herum aus Ordnungssystemen besteht, und wenn sie uns auch nicht haben erfahren lassen, dass Menschen besser zusammenleben können in einem System gemeinsam praktizierter Ordnung, dann müssen wir als Erwachsene das für unser Leben und für unseren Haushalt allein und in der Gruppe nachholen – oder es wird ungemütlich.
Berufliche Entwicklung als Daueraufgabe
Neben der Organisation des privaten Lebens ist der Beruf das wichtigste Gebiet, auf dem wir mit Systematik die Folgen unserer Unvollkommenheit mindern können. Alles andere macht abhängig von Glück und Zufall, ist das Gegenteil von einem selbstgesteuerten Leben, führt in die Abhängigkeit. Das ist so, weil die technischen Entwicklungen und die Marktveränderungen immer größeres Tempo gewinnen. Niemand hat mehr die Sicherheit, den erlernten Beruf bis zu seinem Ruhestand ausüben zu können. Ständig hinzulernen und umlernen muss heute jeder.
Worauf es ankommt: Rechtzeitig seine Position analysieren und überdenken; nicht erst, wenn man arbeitslos ist. Am besten ist eine permanente Beobachtung und Bewertung. Wer bislang noch keine Untersuchungen angestellt hat, auf welchen Wegen er denn in die augenblickliche Lage gekommen ist, sollte seinen Werdegang aufarbeiten.
Wer das nicht von sich aus tut, von dem werden es Arbeitgeber zumindest in Ansätzen verlangen: Stellenbewerber müssen eine ganze Reihe von Unterlagen beibringen und Teststationen wie Assessmentcenter durchlaufen, damit die Personalchefs am Ende der Prozedur einigermaßen sicher sind, den richtigen Mitarbeiter herausgefunden zu haben.
Es ist fahrlässig, sich nicht selbst mit seinen Potentialen zu beschäftigen. Wer das unterlässt, kann sie anderen gegenüber weder selbstbewusst darstellen noch in Eigenregie verbessern. Befragen Sie sich:
- Wohin bringt mich meine derzeitige Tätigkeit?
- Welche Entwicklungsmöglichkeiten habe ich?
- Was sollte ich nicht in Kauf nehmen?
- Mit welchen Fähigkeiten und Eigenschaften komme ich nicht zum Zuge?
- Was muss sich ändern?
- Was muss ich ändern?
- Was hindert mich, besser zu werden?
Ihr persönlicher Arbeitsmarkt
Wer als Selbständiger arbeitet, beispielsweise als Handwerksmeister oder Rechtsanwalt oder Heilpraktiker, kommt gar nicht umhin, sich um Kunden zu bemühen, sich um seinen Markt zu kümmern. Kunden laufen einem nicht von allein in die Werkstatt, Kanzlei oder Praxis. Außerdem muss sich ein Selbständiger für seinen Markt fit halten. Das heißt: Er muss sich weiterbilden und seine Dienstleistung Marktveränderungen anpassen.
Zu einer gleichen Einstellung sollte auch derjenige kommen, der seinen Arbeitsplatz nicht selber schafft, sondern sich von einem Arbeitgeber bereit stellen lässt. Denn mehr und mehr Arbeitgeber gehen dazu über, einen Arbeitsplatz nur noch dem zu geben, der diesen selbständig ausfüllen kann. Um dieser Anforderung zu entsprechen, muss jeder sein System persönlicher Arbeitstüchtigkeit entwickeln, das sich aus zwei Grundbereichen zusammensetzt:
- Kontinuierliche Selbstverbesserung,
- Marktbeobachtung und ‑pflege.
Zu Punkt 1 bietet dieses Buch in jedem Kapitel zahlreiche Einsichten, Erfahrungen und Anregungen. Daraus können die notwendigen Planungen, Vorhaben und Maßnahmen für die persönliche Arbeitsmarkttauglichkeit entwickelt werden.
Bei Punkt 2 geht es darum, seinen Markt sowohl geographisch (lokal, regional, überregional, global) zu umschreiben, als auch die Branche, den Fachbereich in seiner Dynamik, seinen Trends und Tendenzen zu erfassen. Dazu muss man Recherchenarbeit leisten. Nur die Verbandszeitschrift zu lesen, genügt nicht. Eine weitere Aktivität ist notwendig: Ständig Kontakte knüpfen und pflegen. Nicht nur durch die Teilnahme an Veranstaltungen der berufsständischen Vereinigungen, an Messen und Kongressen, sondern auch durch Mitgliedschaften in kundennahen Organisationen.
Die besten Arbeitsplätze werden in der Regel über Beziehungsgeflechte vergeben. Man muss sich nicht unbedingt einbeziehen lassen, aber man sollte in den einschlägigen Fachkreisen bekannt sein. Charaktereigenschaften und Schlüsselqualifikationen spiegeln sich nur unvollkommen in Zeugnissen wider. Deshalb muss jeder auf dem Sektor des Arbeitsmarktes, in dem die von ihm angestrebten Positionen zu vergeben sind, nicht nur als Fachmann, sondern auch als Person bekannt sein.
Selbstsicherheit in turbulenten Zeiten
Wer seine berufliche Entwicklung wie ein Unternehmer plant und betreibt, von sich weiß, welche Stärken er hat, die ständig auszubauen sind, und welche Schwächen er hat, die er ausgleichen oder beseitigen muss, der hat alle Chancen, seine Ziele zu erreichen. Der ist weitgehend gegen die Gefahren des Arbeitsmarktes gefeit. Denn er fällt nicht aus allen Wolken, wenn beispielsweise die Arbeit gebende Firma verkauft wird oder wenn die Firma Pleite macht. Er wird die Entwicklung rechtzeitig erkennen und Konsequenzen ziehen.
Im Laufe der Zeit entwickelt jeder Lebensgewohnheiten, die er ungern aufgibt. Manch einer hat sich und seine Familie an seinem Wohn- und Arbeitsort fest verwurzelt und will dies dem Beruf nicht opfern. Was man unter welchen Umständen dem beruflichen Werdegang unter- beziehungsweise überordnet, lässt sich durch eine Situationsanalyse herausfinden: Worauf wird gegebenenfalls verzichtet und worauf in keinem Fall? Wie kann das persönliche Lebensumfeld umgestellt werden, ohne dies als Einbuße zu empfinden?
Wer beim Ergründen seiner Lebenssituation zu dem Ergebnis kommt, dass er eigentlich nichts ändern möchte und dazu nur den Erhalt seines derzeitigen Arbeitsplatzes braucht, läuft Gefahr, die Rechnung ohne den Wirt zu machen. Denn die Dynamik des Wirtschaftsgeschehens wird weiter zunehmen und immer weniger Arbeitsplätze zulassen, die nicht ständiger Veränderung unterworfen sind.
Entstehen und Vergehen gehören zum Wechselspiel des Lebens. Diesem Auf und Ab sind diejenigen am ehesten gewachsen, die in Sachen “Arbeit” ihre eigenen Unternehmer sind. Dazu muss man seinen beruflichen Werdegang selbst bestimmen. Das setzt voraus, dass man weiß, was man will, wohin man will, wie man leben will. Dementsprechend müssen die Ziele geplant und verfolgt werden.
Um trotz Unvollkommenheit uns lebenstüchtig zu behaupten, müssen wir unsere Möglichkeiten des systematischen Handelns nutzen.