Kapitel 29
Eine selten gewordene Lebenseinstellung: dienen
Berufliche Leistungen sind die Voraussetzung für ein Leben in Wohlstand. Märkte, durch direkte oder indirekte Einflussnahme des Staates mehr oder weniger reglementiert, geben den Leistungen einen in Geld ausgedrückten Wert. Doch es gibt Leistungen, die keinen Markt haben: das freiwillige Dienen ohne Gegenleistung. Einander dienen jenseits von Angebot und Nachfrage – daraus ergibt sich Lebenssinn.
Dienen – wem denn?
Nein, wir müssen niemandem dienen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Menschen sich von den Zwängen des Dienens befreit haben. Vorbei die Jahrtausende, in denen der Stärkere den Schwächeren zu seinem Sklaven machen konnte. Zuletzt haben sich, ihren Aufklärern und Frontkämpfern folgend, die Arbeiter und die Frauen befreit. Sowohl der Zusammenschluss zur revolutionären Massenbewegung als auch die Taktik des intellektuellen Kleinkriegs haben die Herrschaftsstrukturen der Vergangenheit aufgelöst. Wir sind freie Menschen.
Nicht einmal uns selbst müssen wir dienen. Wir können rauchen, bis unsere Lunge verkohlt ist; trinken, bis unsere Sinne verschwimmen; Fett ansetzen, bis der Kreislauf zusammenbricht; uns mit Esoterik voll saugen, bis die Augen allwissend ins Nichts schauen; singularisiert leben, bis irgendeinem auffällt, uns schon lange nicht mehr gesehen zu haben.
Der aufgeklärte und freiheitsliebende Sozialstaat übernimmt die Folgen der Selbstschädigungen auf Kosten der Allgemeinheit. Nur bei zu großer Schädigung auch noch anderer, beispielsweise Passivraucher, und bei zu hohen Kosten, beispielsweise Krankheitskosten, schränkt der Staat ein.
Auch von den Mächten, die uns zu Seelensklaven machten, sind wir befreit. Wir müssen nicht mehr den Kopf unterm Arm tragen wegen eines schlechten Gewissens. Uns kann keiner mehr an den Pranger stellen. Keiner kann uns mehr eine Buße auferlegen. Gehorsam – ein Fremdwort. Dienen?
Die Befreiung vom Dienen und das neue Dienen
Dienen wird mit vielen negativen Vorstellungen verbunden:
- seinen Willen aufgeben,
- nach der Pfeife eines anderen tanzen,
- unterwürfig leben,
- kein Selbstbewusstsein haben,
- ausgenutzt werden,
- niedere Tätigkeiten verrichten,
- Willkür ausgesetzt sein,
- sich gegen Unrecht nicht wehren können,
- ausgebeutet werden,
- zu den unteren Gesellschaftsschichten gehören,
- die Drecksarbeit machen müssen,
- sich im Leben nichts leisten können,
- ein unfreier Mensch sein.
Wie haben das nur die Menschen früherer Zeiten ausgehalten, die nicht hoch wohl geboren waren oder sich der Waffengewalt anderer geschlagen geben mussten? Hatte das Leben als Sklave, Leibeigener, Dienstpersonal, als Knecht oder Magd überhaupt einen Sinn?
Das Dienen ist indes heute nicht ausgestorben. Aber gedient wird nicht mehr für ein karges Überleben, sondern für Geld. Die Mitarbeiter eines Unternehmens oder einer Behörde nennt man “Personal”. Von Dienst-leistungsunternehmen, gar von Dienstleistungsgesellschaft ist die Rede. Aber die zuvor genannten Assoziationen mit “Dienen” werden damit nicht in Zusammenhang gebracht.
Aus dem gehorsamen Dienen ist das Angebot von Diensten geworden. Märkte bewerten die Leistung, die bezahlt wird. Auf den Märkten muss jeder jedem dienen, wenn er Geld verdienen will: der Unternehmer seinen Kunden, die Händler den Käufern, die Arbeitnehmer den Arbeitgebern, die Selbständigen ihren Mandanten oder Klienten, die Auftragnehmer den Auftraggebern. Wir sind alle in einem unendlichen Geflecht des Gebens und Nehmens, des einander Dienens, miteinander verbunden.
Die Tatsache, dass Dienen über Märkte als Leistungstausch anhand von Knappheitsgraden sich abspielt, ist manchen unheimlich. Insbesondere denen, die ihren Vorstellungen von Gerechtigkeit Geltung verschaffen wollen. Ihnen ist es ein Dorn im Auge, dass sich Märkte nicht abschaffen, sondern nur in die Illegalität drücken lassen, dass sich ihre Vorstellungen von einer gerechten Welt nicht mit Staatsgewalt für alle Zeiten erzwingen lassen.
Unbelehrbar trachten sie danach, mit Demagogie und Staatsgewalt wenigstens unentwegt in die Marktprozesse einzugreifen. Doch kein Mensch verfügt über allumfassendes Wissen und die Maßstäbe absoluter Gerechtigkeit. Und deshalb hat eine freie Marktwirtschaft durchaus mit Gerechtigkeit zu tun:
- wenn der Staat für einen fairen Wettbewerb sorgt,
- wenn eine staatsunabhängige Notenbank den Geldwert stabil hält,
- wenn das Privateigentum geschützt wird,
- wenn es möglichst wenig Barrieren für den Zugang zu den einzelnen Märkten gibt,
- wenn jedem der Zugang zu den Bildungseinrichtungen offen steht,
- wenn es den Marktteilnehmern überlassen bleibt, in Freiheit zu entscheiden, mit welchen Eigenschaften und Fähigkeiten sie am Marktgeschehen teilnehmen.
Funktionstüchtige Märkte sind die Befreiung vom “dienen müssen” feudalistischer Gesellschaftsstrukturen. Jeder dient jedem. Die Märkte ermitteln den Preis eines Dienstes aufgrund von Angebot und Nachfrage. Als Kunden haben wir Nachfragemacht, als Anbieter müssen wir unseren Kunden zu Diensten sein. Wer als Kunde auftreten will, muss zuvor anderen einen Nutzen geboten haben. Wir müssen nicht “dienen”, wir müssen “verdienen”. Dabei müssen wir uns jedoch der Tatsache bewusst bleiben: Nicht alles lässt sich verdienen.
Das Dienen der Herzen
Es gibt ein Dienen, das sich nicht ohne Schaden für den einzelnen Menschen und die Gemeinschaften, in denen er lebt, kommerzialisieren lässt. Törichte Eltern wissen da nichts von. Sie zahlen ihren Kindern Geld, wenn sie Arbeiten wie den Rasen mähen, das Auto waschen, das Geschirr einräumen und ausräumen, die Wäsche aufhängen oder andere Hausarbeiten übernehmen. Wie sollen Kinder erfahren, dass es Motive zum Dienen gibt, die man nicht bezahlen kann! Wo sonst – wenn nicht in der Familie – erfährt der Mensch, dass Dienen etwas mit Gemeinschaft zu tun hat?
Leben in Gemeinschaft heißt: Mit gegenseitiger Fürsorge, mit Beteiligung am gemeinsamen Leben, mit Zuneigung zueinander, mit dem Einstehen füreinander, mit Vertrauen, mit Beschenken, mit Ertragen, mit Freude, Toleranz, Angst, Sorge, Solidarität, Trost, Hoffnung füreinander da sein. Kann man das, was Eltern, was vor allem Mütter für ihre Kinder tun, bezahlen? Dafür gibt es keinen Marktpreis! Törichte Politiker glauben, sie könnten Mutterliebe durch staatliche Einrichtungen und Geldzahlungen ersetzen.
Wenn die Professionalisierung in allen Tätigkeitsbereichen vorangetrieben wird, wenn die Arbeitsteilung als Organisationsprinzip das Zusammenleben mehr und mehr bestimmt, wenn alles Tun und Handeln gleich auf die Chancen einer Vermarktung hin überprüft wird, dann gerät eine Gesellschaft in Gefahr. Denn ihr kommt die Lebenseinstellung des Dienens abhanden, des Dienens ohne Preis, ohne Gegenleistung, des Dienens allein der guten Tat wegen.
Dienen in Verantwortung und Liebe zueinander ist die Lebensgrundlage jeder Gemeinschaft. Familien sind die Gemeinschaften, die grundlegend für jede Gesellschaft und den Staat sind. Familien sind bedroht, wenn Staat und Wirtschaft sie mehr oder weniger überflüssig machen.
Wer das verhindern will, muss der unheiligen Allianz von Staat und Wirtschaft entgegentreten, die Wohlstand zum alleinigen Lebens- und Staatsziel macht. Es muss Front gemacht werden gegen einen Staat, der sich mit immer neuen Reglementierungen, Alimentierungen und Sanktionen in sämtliche Lebensbereiche hineinschiebt. Es muss Front gemacht werden gegen eine Wirtschaft, die glauben macht, alles im Leben sei zu kaufen. Das Dienen der Herzen lässt sich weder professionalisieren noch kommerzialisieren.
Als Kinder und Jugendliche leben und entwickeln wir uns aufgrund der Liebe und Fürsorge, die wir von unseren Eltern, von Familienmitgliedern, Erzieherinnen und Lehrern erfahren. Menschen brauchen Menschen, die zuhören können, die mit sich reden lassen, die auf andere einzugehen vermögen, die Zeit für ihre Mitmenschen haben, die mit Schwächeren rücksichtsvoll umgehen, die auch mit unangepasstem Verhalten zurecht kommen, bei denen im Alltag nicht immer alles ruckzuck gehen muss, beispielsweise morgens vor dem Aufbruch in den Job, in die Kindertagesstätte und die Schule mit den entsprechenden Fahrdiensten.
Wer unter dem Stress heranwächst, der von Berufstätigkeit, staatlichen Betreuungs- und Bildungseinrichtungen erzeugt wird, der erhält eine vielfach gebrochene Erfahrung von Gemeinschaft, von “füreinander da sein”, von “einander verstehen”, von gegenseitiger Unterstützung, von Rücksichtnahme, von Verlässlichkeit, von Muße, von Nachsicht mit Fehlern und Schwächen, von Verzeihen, von “wieder gut machen”.
In diesen Eigenschaften und Verhaltensweisen liegt das Unbezahlbare im Leben. Das ist das unverzichtbare Dienen jenseits der Märkte und staatlicher Fürsorge, ohne das eine Gesellschaft auf Dauer nicht lebenswert ist.
Leben in der Freiheit gegenseitiger Verantwortung
Politische Führung, die das Dienen dem allgemeinen Wohlstand zuliebe aus den Familien heraus in Institutionen wie Kinderkrippen, Kindertagesstätten und Ganztagsschulen verschiebt und glaubt, alles professionalisieren und aus dem Bereich des Unbezahlbaren in den Bereich des Bezahlbaren ziehen zu müssen, untergräbt die Lebensgrundlage der Gesellschaft, zerstört den Geist des unbezahlbaren Dienens.
Ein Staat, der die Menschen von ihren Fähigkeiten der Fürsorglichkeit in gegenseitiger Verantwortung abbringt, schafft eine Mündelgesellschaft, in der sich das Miteinander auf Grillparties erschöpft. Es kommt nicht darauf an, dass der Staat die unbezahlbare Welt des Lebens mit seinen Gängelungsmethoden des Subventionierens und Aufzwingens übernimmt, sondern dass er die Freiräume erhält und schützt, in denen das Unbezahlbare des Lebens wächst und gedeiht.
Dienen gibt dem Leben Sinn. Dienen ist eine Lebenseinstellung. Als freie Menschen übernehmen wir im Dienen Verantwortung für uns selbst und füreinander. Das unbezahlbare Dienen sollte das Dienen gegen Bezahlung auf den Märkten durchdringen und nicht umgekehrt das bezahlte Dienen das unbezahlbare Dienen aufheben oder einschränken.
Wirtschaft kann auf Dauer ohne das unbezahlbare Dienen nicht funktionieren. Daher gibt es im Wirtschaftsleben den Grundsatz von Treu und Glauben. Wenn Geschäfte nur noch gegen Vorkasse stattfinden, weil kein Vertrauen herrscht, wird uns vielleicht ein Licht aufgehen. Die Unzulänglichkeiten der Welt und die Unvollkommenheit der Menschen werden durch das unbezahlbare Dienen in ihren Folgen gemildert.
Menschen, die einander in gegenseitiger Verantwortung dienen,
- neigen nicht so sehr zur Über- oder Unterschätzung ihrer Person,
- haben ständig Gelegenheit, ihre Talente und Fähigkeiten in ihr Lebensumfeld einzubringen,
- agieren nicht anmaßend, bleiben bescheiden, sind demütig,
- haben wache Sinne für die Nöte anderer, können selber Hilfe annehmen,
- können gleichermaßen Führung übernehmen wie anderen überlassen.
Wer anderen Menschen uneigennützig dient, verschenkt sich als Person:
- Liebenswürdigkeit,
- Vertrauen,
- Höflichkeit,
- Aufmerksamkeit,
- Nachsicht,
- Verzeihen.
Gemeinschaften, deren Mitglieder aufgrund ständiger Selbstverbesserung einander dienen, gegenseitig entwickeln und gemeinsam handeln, gewinnen gewaltige und beglückende Lebensfähigkeit. Jeder bringt seine Talente und Fähigkeiten ein. Alle Lebensbereiche sind vom Dienen durchdrungen.
Schlechte Vorbilder verderben gute Sitten
Kennzeichen des Dienens ist: Etwas geben, ohne dafür etwas haben zu wollen. Doch manche Menschen geben ihrem Verhalten nur den Anschein des Dienens. Insgeheim erwarten sie eine Gegenleistung. Beispiele:
- Politiker begünstigen Personenkreise unter dem Vorwand, soziale Gerechtigkeit schaffen zu wollen, aber in der wahren Absicht, sich Wählergunst zu verschaffen. Das Geld dazu holen sie sich bei den Steuerzahlern, mit Vorliebe bei denen, auf die sie den Neid der Allgemeinheit lenken.
- Ehrungen mit bisweilen hoch dotierten Preisen werden inszeniert, bei denen der Geehrte nur der Vorwand ist. Der oder die Preisstifter wollen sich vielmehr selbst ins Rampenlicht rücken, die eigene Geltungssucht befriedigen und das eigene Geschäft befördern. Dazu bedienen sie sich eines “Prominenten”.
Im Alltag gibt es viele Formen des unlauteren Dienens, des Dienens mit verstecktem Kalkül. Da werden teure Geschenke gemacht, Gefälligkeiten erwiesen, geschmeichelt, verführt – und irgendwann die Rechnung präsentiert. Das bringt manche Menschen dazu, hinter jeder Zuwendung eine Absicht zu vermuten. Die sofort gestellte stille Frage: Was will der von mir? Je nach Einstufung gemäß den eigenen Moral- und Risiko-Einstellungen wird die Annahme verweigert, sich revanchiert, das Prinzip “Eine Hand wäscht die andere” angewendet.
Eine Gesellschaft kommt ohne uneigennütziges Dienen nicht aus. Sie verroht und verarmt, sie verliert den Zusammenhalt und ihre Identität, wenn alles nur noch auf Wohlstand hin optimiert und als Arbeitsleistung organisiert wird. Auch die professionalisierten Lebensbereiche wie Kinderkrippen, Kindertagesstätten, Schulen, Krankenhäuser und Altersheime kommen ohne das unbezahlte und unbezahlbare Dienen ihres “Personals” nicht aus. Sie werden sonst unmenschlich.
Menschen müssen sich aufeinander einlassen, um zu überleben. Das schließt immer Risiken ein: missverstanden, ausgenutzt und misshandelt zu werden. Auch das Miteinander in Unternehmen braucht Menschen, die unbezahlbares Dienen einbringen. Wenn die Mitarbeiter in einer Haltung der inneren Emigration ihre Arbeit verrichten, wird die Firma sich langfristig nicht behaupten können. Eine Firma dagegen, der es gelingt, Identifikation aufgrund von gegenseitigem Dienen zu schaffen, wird auf ihren Märkten langfristig Erfolg haben.
Das ist wie im Mannschaftssport: Nur das ständig verbesserte eigene Können und das Einbringen seiner Person als Dienst und Dienen schweißen ein Team zusammen. Sinnvolles Leben verwirklicht sich in Selbstverbesserung, Verdienen durch Leistung und Dienen als unentgeltliche Leistung.
Das lässt sich auch christlich formulieren: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Wer Gott als die Autorität des Vollkommenen über der Unvollkommenheit der Menschen anerkennt, gerät nicht in die Gefahr, selbstherrlich zu werden, bleibt sich seiner Fehler- und Irrtumsfähigkeit bewusst und mildert sie durch sein Dienen.
Partnerschaft gelingt auf Dauer nur durch Dienen
Dienen heißt auch: Verantwortung übernehmen. Satte Sklaven können nicht dienen, sie wollen verwöhnt werden, sie verkaufen sich für ihr Wohlleben:
- Sie entwickeln nicht ihr eigenes Gewissen, sondern lassen sich eines implantieren.
- Sie eignen sich Wissen nicht durch eigene Anstrengung an, sondern übernehmen das ihrer Vormünder.
- Sie entwickeln nicht die Fähigkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden, sondern schließen sich der Meinung ihrer Umgebung an.
- Sie scheuen die Mühen des eigenen Nachdenkens und folgen einfach der Mehrheit.
- Sie weichen jedem Zweifel aus und glauben den Demagogen.
- Sie fühlen sich in der Masse wohlig aufgehoben, lassen sich verführen und
- schieben jede Verantwortung von sich.
So entstehen und erhalten sich autoritäre Regime, Diktaturen.
Das Gelingen der Persönlichkeitsentwicklung hin zum Dienen als sinngebende Lebenseinstellung hängt davon ab, wie wir unser Leben als unsere eigenen Unternehmer gestalten. Als junge Erwachsene haben wir dazu die besten Möglichkeiten. Man sollte sie nutzen und sich fragen:
- Was will ich lernen, studieren, mir an Fähigkeiten aneignen?
- Welche Talente habe ich und wie kann ich sie entfalten?
- Welche Eigenschaften will ich korrigieren, welche verbessern?
- Welche Erfahrungen möchte ich sammeln?
- Mit wem will ich gemeinsam welcher Sache dienen?
- Für welche Sache, für welche Idee will ich mich engagieren?
Leben in Partnerschaft erfordert die Bereitschaft zum Dienen. Der gute Wille muss sich im täglichen Umgang miteinander in Gesten, Worten und Taten konkretisieren. Beste Voraussetzungen bringt mit, wer in einer intakten Familie mit Geschwistern groß geworden ist. Das dienende Verhalten in einer Partnerschaft zeigt sich unter anderem:
- in der Selbstbeherrschung,
- Aufmerksamkeit,
- Ehrlichkeit,
- Nachsicht,
- Verzicht,
- Hingabe,
- Verlässlichkeit,
- in Lob,
- Anerkennung,
- Durchhaltevermögen,
- Treue und
- Beständigkeit.
Die menschlichen Unzulänglichkeiten können auf Dauer nur ausgeglichen werden, wenn sich Partner nicht allein aufgrund ihrer Stärken zusammentun, sondern auch ihre Schwächen gegenseitig akzeptieren und helfen, sie auszugleichen und aufzuarbeiten.
Das schlägt sich unablässig in der gemeinsamen Gestaltung des Alltags nieder. Das zuträgliche Umfeld sowohl für das gemeinsame Wohnen als auch für das Berufsleben müssen einvernehmlich entschieden werden. Geschieht das alles von einem der Partner nur halbherzig, staut sich im Laufe der Zeit Konfliktstoff an. Von lebenslanger Bedeutung ist die Antwort auf die Frage: Wollen wir Kinder? Sie impliziert:
- Haben wir beide, ich wie mein Partner, die gleiche Lebenseinstellung, in die wir die Kinder hineinnehmen und aus der heraus wir die Kinder erziehen?
- Sind die Voraussetzungen an Zeit, die Kindern zu widmen ist, an Lebensumfeld, das Kinder für ihr Heranwachsen brauchen, an Bildungseinrichtungen, die Kinder zu ihrer Entwicklung nötig haben – ist das alles gegeben?
- Können wir als Eltern das leisten und sicherstellen? Sich dabei auf die Hilfe des Staates zu verlassen, ist Mündelmentalität.
Schmetterlinge im Bauch genügen nicht
Wenn ein Paar sich entzweit, hört man oft den Satz “Wir haben uns auseinandergelebt” oder resigniert “Es ging nicht mehr”. Sind Kinder da, sind die Folgen der Trennung nicht abzusehen, sie sind in jedem Fall für alle und besonders für die Kinder belastend. Eine Beziehung als “verliebt sein” drauf los zu leben, ohne dienen zu wollen oder auch gar nicht zu können, ist fatal.
Bei der Entscheidung, sich dauerhaft an einen anderen Menschen zu binden, muss der nüchterne Wahrscheinlichkeitscheck, ob man auch ohne Verliebtsein zueinander passt, ausschlaggebend sein. Schmetterlinge im Bauch genügen nicht. Der jugendliche Leichtsinn und Übermut nach dem Motto “Das schaffen wir schon!” ist durchaus sympathisch, aber wenn er nicht bei beiden charakterlich unterfüttert ist, sondern nur unreife junge Menschen zusammenführt, ist das Scheitern der Beziehung vorprogrammiert.
Eine Partnerschaft oder gar Familie, die auf Feierabende, Wochenenden, Feiertage und Ferien reduziert gelebt wird, birgt die Gefahren des schleichenden Verfalls, insbesondere wenn das Zusammenleben in Alltagshektik ausartet. Um das zu vermeiden, müssen die äußeren Umstände des Zusammenlebens beachtet werden:
- Wie viel Zeit nimmt die berufliche Tätigkeit außer Haus in Anspruch?
- Kommt Telearbeit infrage?
- Wie können Wohn- und Arbeitsort angenähert werden?
- Wie häufig müssen Dienstreisen unternommen werden? Etc.
Wer die negativen Auswirkungen des Berufslebens auf Partnerschaft und Familie in Kauf nimmt und glaubt, man könne das auf Dauer in einem Spagat bewältigen, der irrt sich. Die Erwiderung, man lebe die Zeiten des Beisammenseins um so intensiver und darauf komme es doch an und nicht auf einen routiniert-langweiligen Alltag, geht fehl, weil das “auf Dauer” nicht beachtet wird.
Es wird übersehen, dass die Alternative nicht routiniert-langweilig heißt, sondern souverän und gelassen bewältigter Alltag, der auch seine Mußezeiten hat. Gerade Kinder müssen erfahren, dass die Zeiten der Gemeinschaft nicht die Ausnahmezeiten von beruflicher Tätigkeit sind, sondern die Kernzeiten des Lebens.
Damit es nicht zum Auseinanderleben oder zur Unverträglichkeit kommt, müssen die Rahmenbedingungen gemeinsamen Lebens hilfreich gestaltet werden. Es gilt, seine Berufstätigkeit so zu wählen und zu organisieren, dass durch flexible Strukturen das Zusammenleben als Paar und Familie erleichtert wird. Es gilt, die Institutionen und Einrichtungen des Staates seiner Lebensgemeinschaft so zuzuordnen, dass sie nahe gelegen und qualitativ akzeptabel sind. Entsprechend muss der Wohnort gewählt werden.
Partnerschaft und Familie sind eine unternehmerische Aufgabe, die sich nicht an Vormünder, Fachpersonal und Fürsorgeeinrichtungen delegieren lässt. Den Zusammenhalt als Gemeinschaft schaffen Menschen, die dem Dienen in ihrem Leben die Priorität geben.
Es gibt Berufe, die durch ihre Tätigkeit an sich, wenig Lebenssinn geben, beispielsweise im Sport oder im Showgeschäft. Aber die Art und Weise, wie sie ausgeübt werden, verleihen ihnen oft einen überaus gesellschaftsdienlichen Sinn, etwa die Fairness, die beispielgebend ist, oder die Lebensfreude, die verbreitet wird. Stars können einer Gesellschaft hervorragend dienen, wenn sie Vorbilder sind für das, was eine Gesellschaft dauerhaft zusammenhält und jedem einzelnen wahren Lebenssinn gibt: Dienen.