Teil 3
4. Charakterisierung der Filme
aus Amerika, Deutschland,
Frankreich und Skandinavien
Die Amerikaner sehen ihre Halbstarken in dreierlei Weise sich hervortun: Als ihr Unwesen treibende Jungenbanden, als von ihrer Sexualität bedrängte Jugendliche und als Rock’n Roll versessene Jugend. Die Jungenbanden betätigen sich in der Regel kriminell. Doch es gelingt, diese Jugend wieder auf den Weg der Gesetzmäßigkeit zurückzubringen, indem man sie mit pädagogischen Mitteln dazu veranlaßt. Es zeigt sich, daß die Jugendlichen letztlich die Normen der Gesellschaft akzeptiert haben. Über ihr abweichendes Verhalten gelangen sie schließlich zur Einhaltung der Normen. Der letzte Mord findet nicht statt.
Der Inszenierungsstil dieser Filme ist äußerst drastisch und vermittelt das Bild einer grausamen und rücksichtslosen Jugend. Einer psychologisierten Darstellungsweise bedienen sich die Amerikaner, wenn sie die sexuellen Verhaltensweisen ihrer Jugend als Filmstoff behandeln. Auch diese Stoffe finden einen guten Ausgang und demonstrieren, daß ein „natürliches“ Erleben im Stande ist, die Konflikte zu beseitigen.
Seinen Ruf als Schöpfer eines Tanz- und Musizierstils, des Rock’n Roll, manifestiert Amerika durch entsprechende Filme, in denen die Jugend diese neue Mode ausgiebig demonstriert. Man begnügt sich bisweilen damit, bis zu 21 Schlager aneinander auf einen dünnen Handlungsfaden zu reihen. Der Grundton der amerikanischen Halbstarkendarstellung ist zwar nicht gerade zimperlich, aber vom Ausgang der Handlung her gesehen, drücken die Filme Zuversicht und Optimismus aus.
In den deutschen Filmen findet sich eine oberflächliche und konstruierte Vermischung wie auch Nebeneinanderstellung aller jugendlichen Verhaltensweisen, von denen die Filmschaffenden gehört zu haben scheinen und die bei ihnen stets in einen guten und hoffnungsvollen Ausgang umschlagen. Allerdings hat man die reuige Umkehr bei der kriminellen Jugend im Gegensatz zu den amerikanischen Filmen nicht vor, sondern meistens hinter den letzten Mord gelegt. Das Erscheinen der Polizei verdeutlicht auch hier nur noch die Bußwilligkeit der Jugendlichen.
Freundinnen haben die Filmhalbstarken Deutschlands allesamt, ohne jedoch auch nur annähernd die tragische Dramatik einer ahnungsvollen Liebe wie die französischen Altersgenossen zu erleben. In Ausnahmen verzichtet die deutsche Produktion auf die Darstellung von Kriminalität, Sexualität, Rock’n Roll und Jazz in einem Film und beschränkt sich stattdessen etwa auf einen Schlagerfilm.
Die deutschen Filmhalbstarken zeigen sich von den Erwachsenen enttäuscht, sie distanzieren sich von ihnen. Ihrer Aggressivität und Sexualität lassen sie freien Lauf, aber vor dem Untertauchen in eine endgültige Verbrecherkarriere schalten sie um auf Reue und Umkehr, was den unauslöschlichen Eindruck hinterläßt: Die deutsche Jugend in ihrem dunklen Drange ist sich des rechten Weges doch bewußt.
Die Jugendlichen in den französischen Filmen werden als gemischte Gruppen gezeigt. Schon das deutet darauf hin, daß das Bild der Halbstarken von den Filmschöpfern Frankreichs auch von der sexuellen Seite gezeichnet wird. In der Tat spielen die Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen für den Handlungsverlauf der französischen Filme über Halbstarke eine große Rolle.
Anhand dieser Beziehung wird nämlich demonstriert, daß die Jugendlichen in Ermangelung einer einzusehenden Orientierungsvorlage von Seiten der Erwachsenen Verhaltensweisen sexueller Art einüben, die es ihnen schließlich verwehren, über die Anpassung an die formell noch gültigen Sexualnormen der Gesellschaft sich zu einer von Widersprüchen freien Persönlichkeit zu entwickeln.
Dies wird deutlich durch die Schlußsituation der Filme, die nur in Ausnahmen ein Happy-End haben. In der Regel ist dem Paar die Erfüllung versagt. Entweder sie sind durch die Einübung tierverwandten Sexualverhaltens nicht mehr fähig, zu einer höheren Kulturform geschlechtlicher Ergänzung zu gelangen, deren Ahnung sie einander zuwehen würde, oder aber sie schaffen diesen Aufstieg noch, insbesondere die Mädchen, werden aber durch die Umwelt auseinandergerissen.
Im letzteren Fall spielt die Verquickung der sexuellen Verhaltensweisen mit solchen krimineller Art eine Rolle. Denn die Trennung erfolgt nicht auf das Paar gezielt, sondern auf die Normverletzung im Bereich kriminellen Verhaltens. Die Filme enden insofern tragisch. Doppelt tragisch, weil zu Beginn der Filme die Erwachsenen als die eigentlich Schuldigen gezeigt werden.
In den schwedischen und dänischen Filmen wird die Jugend vorwiegend kriminell gezeigt. Kaum eine der Möglichkeiten abweichenden Verhaltens wird von dieser Jugend ausgelassen. Als Anlaß zu diesem Tun wird durchweg der Streit zwischen den Eltern angegeben, der die Jugend veranlaßt, unfertig wie man sie zeigt, von zu Hause fortzulaufen.
Diese Unfertigkeit formt sich zu einer gesellschaftsfeindlichen Haltung, da die Jugendlichen nach Verlassen des Elternhauses sich außerhalb einer zu Wohlstand bürokratisierten und technisierten Welt wiederfinden, in die sich zu integrieren, sie außer Stande sind. Neben der so motivierten Kriminalität demonstriert man die Orientierungslosigkeit dieser Jugend in sexuellem Verhalten, das sich von jeder Normierung entkleidet zeigt.