Beim Geld hört die Gemütlichkeit auf oder?
Fragen an Marie-Luise Dött, Mitglied des Deutschen Bundestages bis Herbst 2021 und war Vorsitzende des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU), über den verantwortlichen Umgang mit Geld.
Paul Halbe: Bringt Geld in Versuchung?
Marie-Luise Dött: Eindeutig ja. Ein kluger Kopf hat mal gesagt: Jeder ist käuflich, es kommt nur auf den Preis an. Ich bin aber optimistisch, dass bei mir die Schwelle so hoch liegt, dass mich niemand kaufen wird.
Paul Halbe: Kann Geld wie eine Droge süchtig machen?
Marie-Luise Dött: Eindeutig Ja. Warum sonst würde schon in den Zehn Geboten davor gewarnt, das Hab und Gut des Nächsten zu begehren. Und der Wert der meisten Besitztümer wird nun einmal in Geld gemessen.
Paul Halbe: Bei nicht wenigen Menschen kann man beobachten, dass sie um jeden Cent feilschen, aber mit großen Beträgen umgehen, als seien sie im Spielcasino. Sind die großen Beträge zu abstrakt?
Marie-Luise Dött: Für viele ist das Sparen bei den kleinen Summen sicher eine Art Sport. Außerdem beschreiben Trendforscher seit einiger Zeit die ‚Smart Consumer‘. Das sind Menschen, die einen Teil ihrer Einkäufe beim Discounter erledigen, den anderen Teil in Luxusläden. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass viele Menschen im Alltag sparen, um sich dann im Urlaub oder zu anderen seltenen Anlässen auch mal etwas gönnen zu können. Die Vermutung, dass dabei die großen Beträge abstrakt werden, teile ich.
Paul Halbe: Welchen Charakter muss ein Mensch haben, um gegen Bestechung immun zu sein?
Marie-Luise Dött: Er muss zunächst einmal ein starkes Werte-fundament haben, um überhaupt ein Gefühl dafür zu bekommen, dass Bestechung etwas Negatives ist. Außerdem schleichen sich Bestechung und Korruption in der Regel in kleinen Schritten in unser Leben. Das fängt an mit der Einladung zum Essen, dann gibt es ein kleines Geschenk dazu, als nächstes vielleicht eine kostenlose Reise. Irgendwann bin ich dann an einem Punkt angekommen, an dem ich nicht mehr Nein sagen kann, wenn es um mögliche Gegenleistungen geht. Wer hier immun sein will, muss schon von Anfang an Nein sagen.
Paul Halbe: Was ist ein gerechter Lohn?
Marie-Luise Dött: Gerecht ist aus meiner Sicht ein Lohn, der die Produktivität, den betriebswirtschaftlichen Nutzen, des jeweiligen Mitarbeiters widerspiegelt. Gerade bei einfachen Tätigkeiten kann es passieren, dass diese Summe – auch bei einer Vollzeitbeschäftigung – nicht ausreicht, um davon zu leben oder gar eine Familie zu ernähren. Der entsprechende Ausgleich muss dann aber über staatliche Transfers geschehen und nicht über das Unternehmen. Betriebe müssen am Markt bestehen und nicht die staatliche Sozialpolitik ersetzen.
Paul Halbe: Stimmt der Ausspruch aus der Römerzeit: Geld stinkt nicht?
Marie-Luise Dött: Wer ein christliches Gewissen hat, wird sehr wohl feststellen, dass zu Unrecht erhaltenes Geld zum Himmel stinkt.
Paul Halbe: Welchen moralischen Grundsätzen müssen Politiker im Umgang mit Geld gerecht werden?
Marie-Luise Dött: Wenn wir Politiker über die staatlichen Haushalte abstimmen, müssen wir immer daran denken, dass wir das Geld der Bürger verwalten und entsprechend verantwortlich damit umgehen. Das gilt insbesondere mit Blick auf die künftigen Generationen: Wir dürfen heute nur das Geld ausgeben, das wir haben und unsere Kinder nicht mit einem Berg voll Schulden belasten.
Paul Halbe: Wie können moralische Vorstellungen bei den Akteuren der Finanzmärkte zur Geltung gebracht werden?
Marie-Luise Dött: Moralische Vorstellungen können Sie nicht per Gesetz erzwingen. Hier hilft nur der moralische Appell, wie ihn Papst Benedikt XVI. formuliert hat: Danach ist eine menschenfreundliche Wirtschaft darauf angewiesen, dass die Akteure verantwortlich handeln. Als Gesetzgeber können Politiker höchstens versuchen, Sicherungen einzubauen, um falsches Verhalten zu bestrafen. Der BKU fordert schon seit Jahren eine Managerhaftung bei groben Fehlern. Vielleicht wäre es an der Zeit, dies auf gewisse Arten von riskanten Finanzgeschäften auszuweiten.
Paul Halbe: Zerstören Subventionen den eigenverantwortlichen Umgang mit Geld?
Marie-Luise Dött: Ja. Außerdem verzerren sie den Wettbewerb, weil sie träge machen und die Empfänger nicht mehr unter dem Druck des Marktes stehen, der sie zwingt, ihre Waren ständig zu verbessern und preiswerter zu machen.
Paul Halbe: Wird zweierlei Maß angelegt, wenn Steuerflucht verfolgt und bestraft wird, die Verschwendung von Steuergeldern jedoch folgenlos und straffrei bleibt?
Marie-Luise Dött: Im Prinzip ja. Das Problem ist aber, dass sich Steuerflucht anhand der gültigen Gesetze viel leichter definieren lässt als die Verschwendung von Steuergeldern. Denn hinter jeder öffent-lichen Ausgabe steckt ja eine politische Entscheidung darüber, ein bestimmtes Projekt aus Steuermitteln zu finanzieren. Und wenn sich eine Mehrheit findet: Wer soll dann darüber urteilen, ob es sich um Verschwendung oder sinnvolle Dinge handelt? Und wenn es wegen schlechter Planung zu Kostenüberschreitungen kommt, ist dabei allenfalls Fahrlässigkeit oder Unfähigkeit im Spiel – bei der Steuerflucht dagegen Vorsatz.
Paul Halbe: Was ist notwendig, damit Kinder und Jugendliche den verantwortungsvollen Umgang mit Geld lernen?
Marie-Luise Dött: Kinder müssen vor allem lernen, dass alles im Leben seinen Preis hat und dass die Ressourcen begrenzt sind. Und sie müssen lernen, dass man Geld erst verdienen muss, bevor man es ausgeben kann. Dazu gehört auch die Erfahrung, dass nicht jeder Wunsch sofort erfüllt werden kann. Hier müssen manche wohlmeinende Eltern, Großeltern und andere Verwandte aufpassen, dass sie die Kinder nicht so sehr verwöhnen, dass sie diese Grenzen nicht mehr kennen.
Paul Halbe: Wie kann sich eine Gesellschaft dagegen schützen, dass durch die Verfehlungen weniger der Wohlstand aller in Gefahr gerät?
Marie-Luise Dött: Die Gründerväter unserer Sozialen Marktwirtschaft kannten das Grundprinzip, dass man mit eigenem Geld vorsichtiger umgeht als mit dem Anderer. Darum ist es unerlässlich, dass wir an möglichst vielen Stellen Entscheidung und Haftung miteinander verbinden. In der Wirtschaft ist das idealtypisch in der Person des haftenden Eigentümer-Unternehmers verwirklicht, der bei einer Insolvenz mit Haus und Hof haftet.
Die Einführung einer Managerhaftung wäre ein kleiner Schritt, dies auch andernorts zu verwirklichen. Gleichzeitig müssen wir uns aber davor hüten, nur „die da oben“ für alles haftbar zu machen. Denn in der Finanzkrise haben viele Anleger auch alle Vorsichtsmaßnahmen außer Acht gelassen und hochverzinste Papiere gekauft – obwohl schon der gesunde Menschenverstand mir sagt, dass hohe Zinsen immer auch ein hohes Risiko bedeuten.
Dött: 2010