Fachkompetenz ist noch keine Teamfähigkeit
Nur durch die dauerhafte Einbindung in Gruppen sind wir überlebensfähig. Moderne Technik und sozialstaatliche Organisation der Gesellschaft lassen zwar mehr denn je auch die Lebensweise des Einzelgängers zu, aber auch das geht nur gut aufgrund zumindest anonymer Gruppenzugehörigkeit, beispielsweise in Versicherungsgemeinschaften.
Weil wir seit Urzeiten die Vorteile der Gruppe kennen und nutzen, finden wir uns immer wieder zusammen. Als Gruppe trauen wir uns eher zu, ein Problem zu lösen. Schon die Urhorde wusste, dass sich selbst das größte Tier erlegen lässt, wenn der eine ein guter Späher ist, ein anderer sich als erfahrener Fährtenleser beteiligt, wieder ein anderer sich mit den Gewohnheiten des Beutetiers auskennt, ein weiterer ein feines Gehör hat und schließlich einer zielsicher den Speer wirft.
Heute sind ganz andere Probleme zu lösen als das Erlegen eines Mammuts. Das Gefühl, zu einer leistungsstarken Gemeinschaft zu gehören, setzt allerdings nicht von selbst gruppentaugliche Fähigkeiten frei. Es kann sogar passieren, dass statt der Stärken die Schwächen einzelner Gruppenmitglieder virulent werden und zu Erfolglosigkeit und Frust führen. Dann ist das Team von der Teamfähigkeit seiner Mitglieder her falsch zusammengestellt. Ein guter Fährtenleser, der nicht schnell genug laufen kann, vermasselt die Jagd. Fachkompetenz ist noch keine Teamfähigkeit.
Teams entstehen beziehungsweise werden eingesetzt aus der Hierarchie einer Organisation heraus. Die Kernfragen sind:
- Gibt es eine unmissverständliche Aufgabenstellung?
- Ist eindeutig klar, aufgrund welcher Kompetenzen die einzelnen Personen in das Team berufen wurden?
- Hat das Team von der Mitgliederzahl her eine funktionsfähige Größe?
Erst wenn diese Fragen durch die Führung der Organisation mit einem klaren Ja beantwortet werden können, hat ein Team Erfolgsaussichten. Aufgrund der sozialen Fähigkeiten der Gruppenmitglieder sind sodann die gruppendynamischen Prozesse der gemeinsamen Arbeit zu regeln.
In der Gesprächsgruppenarbeit gehört es dazu, dass die grundlegenden Fähigkeiten der Sprachkommunikation beherrscht werden. Die Teilnehmer müssen sich artikulieren und zuhören können. Nur wenn gesagt wird, was gemeint ist, und verstanden wird, was mit dem Gesagten gemeint ist, lassen sich Missverständnisse weitgehend vermeiden. Darüber hinaus:
- Gesprächsgruppenarbeit muss umsichtig und einfühlsam moderiert werden.
- Das Arbeitsziel – und nicht die gute Stimmung – muss im Vordergrund stehen.
- Abhängigkeiten innerhalb der Hierarchie dürfen nicht zum Tragen kommen.
- Unterschiedliche Ansichten und Erfahrungen müssen zutage treten, notfalls provoziert werden.
- Für die Vor- und die Nacharbeit muss genauso viel Engagement da sein wie für die Sitzung selbst.
Die größte Gefahr für Gesprächsgruppenarbeit ist die Entartung zu einem Harmonieverein. Wenn das wohlige Wirgefühl das Erreichen des gesteckten Ziels in den Hintergrund drängt, kann von Arbeit keine Rede mehr sein, ist nicht mit befriedigenden Ergebnissen, sondern nur noch mit Zeitverschwendung zu rechnen. Denn das Baden in Harmonie lässt gerade das untergehen, was zu Lösungen führt, was Kompromisse erzwingt, was immer wieder neues Nachdenken hervorruft und was zur Leistung anspornt: die unterschiedlichen Charaktere und Erfahrungen der Teilnehmer, die sich in Originalität und Eigenständigkeit ausdrücken.