Marie und Francois
Wann immer eines der Urenkel, Enkel, Kinder oder einer der Freunde vorbeischaut — eine Atmosphäre der Freude und Liebe umfängt sogleich jeden Besucher. Marie und Francois sind eine Oase am Rand der großen Stadt. Betritt man ihr Haus, umgeben von einem Garten Eden, kommt man wie von einem Zauber berührt zur Ruhe. Hier herrscht Beschaulichkeit. Frieden.
Die beiden sind Mitte neunzig. Zeitzeugen bewegter Jahrzehnte europäischer Geschichte. Francois wurde als Pilot im Ersten Weltkrieg über Deutschland mit seinem Kameraden Victor abgeschossen — und beide überlebten. Jedes Jahr feiern sie ihre „Wiedergeburt”. Zweiter Weltkrieg. Resistance. Algerienkrieg. De Gaulle. Deutsch-französische Freundschaft. Europa.
Sieben Kinder haben Marie und Francois. Und jedes hat aus seiner Freiheit etwas anderes gemacht: geheiratet, geschieden, kinderlos, wieder geheiratet, allein geblieben, Karriere, Großeltern, Kindeskinder, alle Altersstufen. Die Zimmer oben im Haus sind wie ein verlassener Fuchsbau. Der eine oder andere Raum wird benutzt, wenn ein Besucher über Nacht bleibt.
Jahrzehnte harter Arbeit liegen hinter dem Paar: morgens um vier raus in die Stadt zu den alten Markthallen, wo sie einen Fleischhandel betrieben. Mitarbeiter im Geschäft, Personal zuhause — nur so war dieses Leben zu schaffen. Unbändige Vitalität und klug eingesetzter Lebenswillen. Die jährliche Familienfeier lässt ahnen, was sie einst an Kraft entfaltet haben.
Wie immer auf unserer Herbstreise nach Aquitanien kehren wir bei Marie und Francois ein. Freudig erwartet. Ein großartiges Mahl ist vorbereitet. Der älteste Sohn und seine Frau kommen dazu, leisten umsichtig Hilfe. Wir helfen mit. Die Gespräche beim Essen und Trinken enden tief in der Nacht. Wir schöpfen aus einem Brunnen voller Lebensweisheit.