Positive Selbsteinrede
In Zeiten der Häufung von unangenehmen Ereignissen ist es gut, sein inneres Gleichgewicht nicht dauerhaft zu verlieren. Das heißt, aufgrund seiner Einsichten und Lebenserfahrungen wissen, wie man mit misslichen Situationen umgeht. Alles andere kann zu bleibendem Schaden führen. Wer seine Balance hält, entgeht der Gefahr, depressiv zu werden. Dabei hilft, den Blick für die freudigen Ereignisse des Lebens nicht zu verlieren. Treffen einen Schicksalsschläge, sind diese eher zu verkraften, wenn man zuvor eine Lebenseinstellung gewonnen hat, die auf Zuversicht und Geborgenheit gründet. Dann kann der Trost nahe stehender Menschen Halt geben. Die größte innere Sicherheit bewirkt ein an Gott gebundener, gelebter Glaube. Was Gott zulässt, muss auch ich zulassen.
Wir kennen aus Kindertagen die Worte der Mutter: „Das ist bald wieder gut.” Und dann hat sie unsere Aufmerksamkeit auf ein Spielzeug gelenkt oder mit einer Süßigkeit uns wieder lebensfroh gestimmt. Als Erwachsene spenden wir uns oft selbst Trost, der darauf verweist, dass die Unwetter des Lebens vorüber gehen – und lenken uns ab durch Arbeit. Wenn dann noch Partner und Kollegen einem sagen „Nimm es nicht so tragisch!”, kommen wir nach einiger Zeit aus dem Tief in der Regel wieder raus. Wir wissen: Das Leben geht weiter, es gibt schlechte und gute Zeiten. Vielem kann man nachher ja auch etwas Gutes abgewinnen.
Die Erfahrungen solcher Tröstungen haben sich Mitmenschen und auch professionelle Helfer zunutze gemacht, um in sich und/oder in denen, die sie als Klienten betreuen, ein ständiges Wohlfühlen zu erzeugen – unter anderem mit ständiger positiver Selbsteinrede. Amerikanische Psychologen haben versucht, die Wirkungen der positiven Selbsteinrede herauszufinden. In der Zeitschrift „Psychological Science” teilen sie in der Überschrift ihres Beitrags das Ergebnis bereits mit: „Positive Self-Statements: Power for Some, Peril for Others”. Die starken Persönlichkeiten wissen Nutzen aus der positiven Selbsteinrede zu ziehen, die schwachen nehmen Schaden.
Die Forscher berichten: Statt aus der Selbstsuggestion „Ich bin eine liebenswerte Person” Kraft zu schöpfen, hätten die schwachen Personen – und denen gilt ja meistens die Hilfe – eher gegenteilige Bilder in sich wach gerufen. Daher wird empfohlen, Aussagen zu suggerieren, die konkret erfahrene Stärken betonen. Beispiel: „Ich bin gut darin, schöne Geschenke auszusuchen”. Doch was soll eine solche Selbstsuggestion? Nach meiner Beobachtung birgt der Versuch, mit ständiger Selbsteinrede sich das Leben schön zu reden, die Gefahr des Wirklichkeitsverlustes aufgrund unentwegten Selbstbetrugs.
Wolke 7 als Daueradresse gibt es nicht. Es lässt sich nicht alles rosa färben und idealisieren. Weder ist es möglich, den Unrat dieser Welt aus seiner Wahrnehmung zu verbannen noch ihn umzuinterpretieren nach dem Motto „Alles hat auch sein Gutes, alles hat seinen Sinn”. Der Drang nach „Sich wohl fühlen” kann bei schwachen Personen zur Sucht und damit zur Lebensunfähigkeit führen. Fallen sie Verführern in die Hände, die sie in den Bann ihrer Person mit ihren Glücksbotschaften ziehen, ist ein Ende wie beim kollektiven Zwang einer Sekte nicht auszuschließen.